Rund 200 Mitglieder aus 15 Bürgervereinen, Arbeitsgemeinschaften und Verbänden, angereist mit Bussen, Pkw und Zug, waren und sind stolz darauf, durch ihre Teilnahme am Bürgertag einer breiten Öffentlichkeit zeigen zu können, dass Bürgerengagement für sie etwas Selbstverständliches ist.
Beim Empfang der Stadt Mainz im von den Architekten Arne Jacobsen und Otto Weitling entworfenen Rathaus am Freitag um 18 Uhr erläuterte der Wirtschaftsdezernent der Stadt Mainz Herr Christopher Sitte Geschichte und Struktur der Stadt Mainz, während sich die Tagungsteilnehmer an Rheinwein und Brezeln erfreuten.
Nach einem kleinen Spaziergang durch die Mainzer Innenstadt bzw. einer kurzen Busfahrt fanden sie sich im „Proviantmagazin“ ein, einem Lokal im historischen Gebäude des Proviantamts Mainz. Bei hauseigenem Wein und Mainzer Aktien Bier zu reichlich bemessenen Tellergerichten gab es lebhaften Erfahrungsaustausch, der von einigen Tagungsteilnehmern nach Rückkehr in die gebuchten Hotels an der dortigen Bar fortgesetzt wurde, wobei allerdings zu bezweifeln ist, dass er sich noch auf das Bürgerengagement bezog.
Der Samstag begann mit einer Sightseeingtour über den Campus der Universität Mainz: die Pforte am Westrand, das Tagungshaus am Ostrand des weitläufigen Geländes. Die ehrwürdige Alma Mater, eröffnet 1477, Einstellung des Lehrbetriebs 1798, Wiedereröffnung / Neugründung 1946 mit dem Namen Johannes Gutenberg Universität, empfing uns in der Alten Mensa.
Der für 9 Uhr angesetzte Vortragsbeginn verzögerte sich etwas wegen der verspäteten Ankunft eines Teilnehmerbusses, der in einen Autobahnstau geraten war. Prüfende Blicke auf den Stadtplan von Mainz ließen diese Mitteilung zunächst wie ein Rätsel erscheinen, das sich dadurch auflöste, dass die verspätet Angekommenen sich in einem Hotel im schönen Spessart eingemietet hatten. Dr. Christoph Freiherr von Marschall Bieberstein referierte in seiner eloquenten Art über das Thema „Amerika, Europa, China, Russland und andere: Chancen und Risiken in einer sich wandelnden Welt“. Schnell wurde deutlich, dass der engagiert Vortragende die USA als Vorbild und Retter in der sich wandelnden Welt sieht – sicherlich bedingt durch seinen, wie er berichtete, langjährigen dortigen Aufenthalt in einer exklusiven Umgebung.
In einer kurzen Vortragspause standen den Teilnehmern Getränke zur Verfügung. Einige nutzten die Zeit für eine Umrundung des schönen kleinen Platzes vor der Alten Mensa. Der zweite Vortragsteil befasste sich mit „Fremder Freund USA: Staat, Wirtschaft, Bürgerengagement, Zivilgesellschaft im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland“. Nun war Herr Dr. von Marschall komplett in seinem Element. Er berichtete sehr anschaulich anhand von Alltagsbeispielen nicht nur von Verhalten- und Handlungsweisen amerikanischer Bürger, sondern auch von deren Einstellung, die solch ein Handeln speist. Er stellte die unterschiedlichen Blickwinkel, die amerikanische Bürger und deutsche Bürger bei der Gestaltung so mancher Problemlösung haben, gegenüber und verdeutlichte die geschichtlich bedingten Ursachen der Unterschiede im Bürgerengagement.
Auf die dem Referat folgenden Zuhörerfragen antwortete der Referent mit informativen Berichten über die Situation der wenig bzw. Unterprivilegierten. Um 12.30 Uhr entließ Herr Dr. von Marschall die Zuhörer, die einiges darüber erfahren haben, wie „Amerikaner ticken“, einiges über ihn selbst und die über einen verständlichen Vortrag eines sympathisch wirkenden Referenten erfreut waren.
Im Kulturcafé der Alten Mensa waren die weiß eingedeckten Tische für den Mittagsimbiss – Gulaschsuppe, Erbsensuppe, Brötchen – vorbereitet, zur Stärkung für die ab 14 Uhr gebuchten Stadtführungen. Altstadt und Dom standen auf dem Programm. Wir erfuhren geschichtliche Zusammenhänge, gegenwärtige Planungen, und so manche Teilnehmerin – vielleicht auch mancher Teilnehmer – bedauerte, dass keine Zeit für Shoppen eingeplant war. Die Schaufensterauslagen waren aber auch zu verlockend. Am Rheinufer warteten die Busse, um die Tagungsteilnehmer nach Bingen zu fahren – zum Schiff „Loreley Elegance“. In der Tat, ein elegantes Schiff: 2009 erbaut, mit unhörbarem Motor, großen Panoramafenstern und sehr zuvorkommenden und freundlichen Mitarbeitern. Bei Essen und Trinken glitt das Schiff sanft dahin. Zu jeder der Burgen erfuhren die Teilnehmer Wissenswertes, Geschichtliches, Trauriges oder Humorvolles. Das Wetter erlaubte keinen ständigen Aufenthalt außerhalb des Salons. Dieser war jedoch so ansprechend gestaltet, dass nur wenige und dann auch nur für kurze Zeit auf das Freideck gingen. An der Loreley wendete das Schiff für die Rückfahrt nach Bingen. Weinseligkeit – Weinredseligkeit – Wein, Weib und Gesang – alles stellte sich nun ein – mit Unterstützung eines Schifferklaviers – bei kompletter Dunkelheit außerhalb des Schiffes. In Bingen standen die Busse für die Fahrt in die gebuchten Hotels bereit.
Der Sonntag war der Höhepunkt der Tagung:
Der Festakt zum 60jährigen Bestehen des Verbands Deutscher Bürgervereine
Nach einer Begrüßung der Anwesenden durch Dr. Heymann, den Präsidenten des Verbands, spielte Mainz 04 – ein Saxophon-Quartett. Wow, das hatten wir nicht erwartet. Laut, aber genau so laut, dass es angenehm war; mit einem Rhythmus, bei dem einige Füße der Anwesenden mitzuckten; mit einer Freude, die auf alle ausstrahlte: „Down By The Riverside“ und „Riverboatshuffle“. Nun überbrachte Landtagsvizepräsident Heinz-Herrmann Schnabel die Glückwünsche des Landes Rheinland-Pfalz zum 60jährigen Bestehen und die Grüße aller Landtagsmitglieder. Er berichtete über die Gründung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz und über die geplanten Verwaltungsaufgaben. Seinen anschaulichen Schilderungen mit seinem leichten Meenzer Zungenschlag hätte so mancher gern noch länger zugehört.
Mainz 04 trat wieder in Aktion und begeisterte mit „And I Love Her“ und „When I ́m 64“.
Der Festvortrag von Dr. Helmut Heymann, dem Präsidenten des Verbands Deutscher Bürgervereine, war überaus fesselnd: In seiner typischen Vortragshaltung – eine Hand in der Hosentasche – referierte er über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Bürgervereine. Hier an dieser Stelle eine Zusammenfassung der Rede wiederzugeben hieße diese zu beschneiden; denn nahezu jeder Satz hatte Gewicht.
Es folgte lang anhaltender Applaus aller Zuhörer.
Es gab wohl keine Tagungsteilnehmerin / keinen Tagungsteilnehmer, die / der von dieser Rede nicht veranlasst wurde, die Strukturen des eigenen Bürgervereins zu überdenken.
Ein Anatevka-Medley von Mainz 04 zerstreute alle Gedanken und überschwemmte die Teilnehmer mit Kraft durch Musik.
Es gehört zur Tradition eines Bürgertags, die deutsche Nationalhymne zu singen. Dies geschah unter kräftiger Anstimmung von Heinz Vogel vom Bürgerverein Frankfurt-Praunheim.
Nach der Verteilung von Präsenten an die 4 Mitglieder von Mainz 04, dem Dank an Vizepräsident Wilfried Windecker für seine hervorragende Tagungsplanung und der Verabschiedung aller Teilnehmer leerte sich der Tagungsraum nach den Saxophonklängen von „That Is A Plenty“.
Das im Kulturcafé vorbereitete Mittagessen stärkte die Teilnehmer für deren Heimfahrt.
Ein erfolgreicher Bürgertag